30.11.05

Gründung SHG Polio-Spätfolgen Aachen - Eine Momentaufnahme!

Es ist Freitag, der 4. 11. 2005 um ca. 17.30 Uhr. Ich befinde mich im Cafe Miteinander im Behindertenwohnzentrum in der Stettiner Straße 25 in Aachen.

Noch bin ich mit meiner Frau, Herrn Hamacher vom Leitungsteam des Cafe Miteinander und zwei poliobetroffenen Damen, die zu früh angereist sind, alleine.

Ich bin aufgeregt.

Zwar bin ich an Publikum gewöhnt, nachdem ich früher jahrelang am Wochenende als Sänger mit einer Band teilweise in ganz Deutschland unterwegs war. Und das sicher vor wesentlich größerem Publikum.

Im Unterschied zu damals geht es hier aber nicht darum, auch zwischen den diversen Musikstücken den richtigen Ton zu treffen und coole Sprüche zu klopfen.

Nein, jetzt muß ich Farbe bekennen!

Jetzt muß ich fundiert eine Gruppe von Betroffenen davon überzeugen, wie wichtig es ist, eine Selbsthilfegruppe zum Thema Spätfolgen Polio ins Leben zu rufen und diese auch mit Leben zu erfüllen.

Jetzt geht es darum, qualifiziert und in verständlichem Deutsch darzulegen, wie ich mir das alles vorstelle.

Jetzt gilt es, medizinische Symptome zu erklären, von denen ich manchmal den Eindruck habe, kaum zu wissen, wie man sie richtig schreibt.

Ich muß auf Fragestellungen konkret antworten, einen Zeitplan einhalten, Organisatorisches klären, das zwischenmenschliche Gespräch suchen, ich muß helfen, Angebote machen und vieles mehr.

Langsam aber sicher trudeln die Teilnehmer ein. Ich begrüße sie alle mit Handschlag und versuche so von vorne herein einen guten Kontakt zu bekommen.

Endlich ist es 18.00 Uhr. Fast alle eingeladenen Teilnehmer haben Platz genommen. Ihre Blicke scheinen förmlich an meinen Lippen zu kleben und ich weiß: Jetzt geht's los!

Also beginne ich mit meinen „Monolog“, denn das Treffen ist als Informationsveranstaltung konzipiert, auf der ich also zunächst einmal und vor allen Dingen informieren muß. Die Teilnehmer sind schließlich gekommen, um von mir etwas zu erfahren.

Ich erzähle davon, was meine Motivation ist, diese Selbsthilfegruppe zu gründen, ich versuche meine Vorstellungen klar zu machen, ich spreche über Symptome, ich definiere Zielsetzungen, ich berichte von persönlichen Erfahrungen, ich beantworte Fragen, ich erteile das Wort, ich führe zum Thema zurück...

Während ich das alles tue, spüre ich, wie meine Aufgeregtheit sich in Wohlgefallen auflöst, ja wie ich zunehmend Gefallen daran finde, genau diese Arbeit ganz konkret so zu machen, wie ich dies gerade tue.

In persönlichen Gesprächen erfahre ich, wie lange die Teilnehmer teilweise auf die Einrichtung einer solchen Gruppe gewartet haben, welchen Weg sie teilweise bereit sind, auf sich nehmen, um an den Treffen teilzunehmen und wie dankbar sie sind, sich endlich mit anderen Betroffenen austauschen zu können, in einer Gruppe von Gleichgesinnten konkrete Hilfe zu erhalten, im Verbund mit anderen Betroffenen gemeinsam stark zu sein und über die Symptome der Kinderlähmungsspätfolgen endlich einmal etwas näheres und vor allem etwas konkretes zu erfahren.

Spätestens jetzt wird mir klar, daß ich den richtigen Weg gehe, nach all den Zweifeln, die mich zunächst gequält haben.

Denn als ich mich um ca. 21.45 Uhr auf den Weg nach hause mache, weiß ich:

Die Selbsthilfegruppe Polio-Spätfolgen Aachen hat noch eine Menge Arbeit vor sich. Aber da sie lebt, wird es gelingen!

Liebe Grüße

Lothar Epe